Basketball

Geschichte

SHOT CLOCK

Die Zeit läuft (davon), denkt der gesunde Menschenverstand. Tempus fugit, wie der Lateiner, der den Basketball noch nicht kannte, sagt. Aber nicht im Basketballspiel. Hier wird die Zeit, einerseits, mehr als pedantisch gemessen (von den 3-, 10- und 24- Sekundenregeln angefangen).

Andererseits lässt sie sich ganz einfach mit jedem Schiedsrichterpfiff anhalten. Und wenn nicht die absolute Zeit, so doch deren Messinstrument, die Uhr.

TIME OUT – Auszeit (60 sec.)

Wir blicken zurück: 125 Jahre organisiertes Turnen in Hechingen, nur etwa acht Jahre jünger die Erfindung der ewig jungen „Trendsportart“ Basketball in Massachusetts und seit über 25 Jahren als eigene Abteilung im TV Hechingen „angekommen“.
Zum großen 100jährigen Jubiläum des TVH vor 25 Jahren fast nur eine Fußnote in den Annalen des Vereins, die in ein paar bescheidenen Zeilen ihre Erwähnung fand, hat sich Basketball zu einer respektierten, stark nachgefragten Sportart in der Angebotspalette des Turnverein Hechingen entwickelt.

Die 80er oder FAST BREAK

Urvater und langjähriger Mentor der Basketballabteilung im Turnverein war Helmut Reichelt, ein Sportlehrer am hiesigen Gymnasium. Von der Gründung Anfang der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre leitete er ebenfalls die Abteilung und verschaffte ihr und der jungen Sportart eine solide Basis im Verein.

Sein persönliches Credo – heute im Sportjargon auch „Philosophie“ genannt, nach dem es im Sport weniger um Konkurrenz und Spitzenleistung, sondern viel mehr um eine spezielle Form des sozialen und aktiven Miteinanders gehen sollte, ist bis heute spürbar.
So war und ist der Basketball ein wichtiger Bestandteil des Angebots im Breitenund Freizeitsport des TV Hechingen. Sein Erfolg und seine alljährliche Bilanz bemessen sich nicht in Meisterschaften oder den fahrstuhlgleichen Auf- und Abstiegen.

Unsere Schlüsselkriterien sind Spaß am Sport, Integration von Groß und Klein (im wahrsten Sinne des Wortes) und Jugendlichen mit äußerst unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen.

Die Abteilung als „Sportspielmannschaft“ gleicht in ihrem Gefüge deshalb eher einer „vorzeitlichen Menschenhorde“ als einem „perfekt geführten Industrieunternehmen“, zwei extreme Pole, wie Mannschaften in einem Lehrbuch des Basketballs charakterisiert werden. Währen die eine öfter ihr Revier und ihre Mitglieder wechseln, steht die andere für „minutiöse Planung“ und ist in ein „verwirrendklares Vertragswerk“ eingebettet.

Basketballer mit höheren Ambitionen können deshalb in den ein bis zwei Trainingsabenden nicht zufrieden gestellt werden. Diese schnuppern dann in den Liga-Betrieb in Ebingen, Mössingen oder Dußlingen; um nicht selten festzustellen, dass der geforderte zeitliche und physische Einsatz ihrer sportlichen Begeisterung einen herben Dämpfer versetzt. Dann doch lieber ein bisschen in der Kreissporthalle unverbindlich mit Gleichaltrigen „zocken“, Freunde treffen und die neuesten Handys vorzeigen. Die Nähe von Helmut Reichelt zum Gymnasium hatte den unschätzbaren Vorteil, dass er problemlos interessierte und talentierte Schüler auf das Basketballtraining des TVH verweisen konnte.

In ihm konnten die Grundlagen und Finessen der Sportdisziplin, über den schmalen Schulunterricht hinaus, vermittelt werden. So kamen und gingen halbe Klassen der Oberstufe, mindestens bis zum Abitur, für das man in Sonderschichten ebenfalls beim TVH gut trainieren konnte. Basketballtraining beim TVH - Sportabi - gute Abschlussnoten waren eins!

Genau so willkommen waren Gäste und andere Schnuppersportler. Im Rahmen des Schüleraustauschs mit den USA kamen legendäre High School-Spieler, Mädchen wie Jungs, aus dem Mutterland des Basketballs nach Hechingen. Sie vermittelten besonders authentisch – ohne unbedingt sportlich zu glänzen – ihre Art des Basketball-Feelings unterm Zoller.

Die 90er oder GIVE AND GO

In der großen Welt des Basketballs sind die 90er unverrückbar mit zwei Phänomenen verbunden: Michael „Air“ Jordan und der Siegeszug der NBA als Sport- Show um die ganze Welt. Kein Jugendlicher, der nicht in dem Nummer 23-Shirt der Chicago Bulls zum Training kam oder „wenigstens“ mit dem Vorzeigedeutschen Detlef Schrempf der Seattle Supersonics sympathisierte.

Im Hechinger Umfeld der frühen 1990er machten sich deutliche Veränderungen in der Zusammensetzung der trainierenden Mannschaften bemerkbar. Zum einen wuchs die Zahl der Teilnehmer, Basketball boomte, die Altersspanne wurde immer größer. Aus diesem Grund wurde neben dem traditionellen 18Uhr-Training in der Kreissporthalle für Kinder ein zweiter Termin für Jugendliche ab 16 Jahre in der Realschulhalle angeboten. Trotz widriger Umstände in der Hallennutzung wurde er mit Begeisterung angenommen.

Andererseits veränderte sich die Zusammensetzung selbst. Ein Hauch der Geschichte streifte die Abteilung und veränderte ihr Gesicht. Die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen der 90er Jahre (Balkankriege, Afrika) waren bis in die Abteilungen des Sportvereins spürbar. Dazu kam der politische Zusammenbruch der Sowjetunion mit den Folgen großer Aus- und Übersiedlerzahlen aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks.

So fanden immer mehr Jugendliche und junge Männer den Weg in das wöchentliche Training, denen man die Herkunft aus den Asylbewerberheimen in der Runkellen Straße und der First-Straße unschwer ansehen konnte.
Auf der Suche nach Freizeitmöglichkeiten, Kontakten und etwas Abwechslung bot der Sport eine der wenigen kleinen Fluchten aus dem zu Untätigkeit verdammten Alltag der Asylsuchenden. Die offene Struktur der Abteilung kam diesem Bedürfnis sehr entgegen und nahm vorweg, was heute so beschrieben wird: „Sport bietet Migranten einen einfachen Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und Gratifikation, unabhängig von sprachlich-kulturellen Kompetenzen.
Es entwickeln sich (im Verein) soziale Nähe, persönliche Bindungen ebenso ... wie gegenseitiges Vertrauen und Gefühle der Zusammen- und Zugehörigkeit. Dies bildet die Basis für solidarisches, integratives Handeln, auch über das Vereinsleben hinaus“ (in D. Weber, Sport und Integration, 2008).

Die jungen Sportler, die aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Hechingen und Umgebung kamen, waren ebenfalls eine große Bereicherung für unsere Disziplin. Sie waren schon als Kinder bestens ausgebildet und gaben Anschauungsunterricht in ihrer sprichwörtlichen (damals jugoslawischen) Basketballkultur.
Der Austritt von Übungsleitern und der chronische Aderlass bei den Spielern wegen Schulabschluss, Wehrdienst, Ausbildung oder konkurrierenden Freizeitinteressen („Freundin“) führten 1997 dazu, dass der Trainingsbetrieb für ein knappes Jahr ruhte. Danach ging es 1998 mit neuem Elan in der Realschulhalle weiter. Der Termin in der Kreissporthalle wurde vorübergehend an die Leichtathleten abgetreten.

Ins neue Jahrhundert oder HANG TIME

Der harte Kern der „Großen“ aus der Realschulhalle erarbeitete sich eine immer bessere Technik. Mit ihr steigerte sich das Tempo und wenn es gut lief die legendäre „Flugzeit“ (hang time) zum Korb, von der schon Michael Jordan, die Chicago Bulls-Legende, sagt: “Ich springe hoch für einen ganz normalen Wurf, aber über das, was dann passiert, habe ich mir keine Gedanken gemacht.“

Ganz soviel Zeit, sich während dem Flug (keine) Gedanken zu machen, hatten die Hechinger sicher nicht. Unabhängig vom Mannschaftstraining und der klassischen Spielanlage veränderten sich aber die Spielweise und Vorlieben der Sportler. Das schnelle Spiel von der Straße mit kleineren Mannschaften, wenig Taktik und viel Technik auf einen Korb (Streetball), dringt auch in die Halle vor.

Kleine Mannschaften mit vier bis fünf Spielern ziehen los und beteiligen sich erfolgreich an den Streetball-Turnieren in der Region, die wie Pilze aus dem Boden schießen.

Dazu gehören der passende Kleiderstil und die richtige Musik; Sport wird zu einer Frage des jugendlichen Lifestyles. Ebenfalls aktiv beteiligten sich die Basketballer an den Nightball Events der Stadt Hechingen, die federführend vom Arbeitskreis Jugend veranstaltet wurden.

Die letzte, völlig unsportliche, Errungenschaft passt auch hier zu den Trends der Zeit. Seit 2007 kann sich die Abteilung innerhalb der Turnverein-Homepage präsentieren und ihr Angebot einem erweiterten Kreis von Interessenten vorstellen. Und wir kommen zurück zu den Wurzeln, indem die Übungsabende komplett wieder in die Kreissporthalle, Mittwoch 18 Uhr, verlegt werden, „wie schon immer ...“

Sport macht Schwache selbstbewusster,
Dicke dünn, und macht
Dünne hinterher robuster,
Gleichsam über Nacht.
Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,
Kürzt die öde Zeit,
Und er schützt uns durch Vereine
Vor der Einsamkeit
(aus: Joachim Ringelnatz "Ruf zum Sport")

PFIFF - Ende der Auszeit (60 sec.) - die shot clock tickt wieder
Hans-Georg Auber

News

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